Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Russland, die Ukraine und wir“

Veröffentlicht am 31.03.2022 in Veranstaltungen

Der Krieg in der Ukraine ist derzeit das beherrschende Thema und so bitter dies auch ist, es wird in vielen Themenbereichen auch zukünftig präsent bleiben, wie auch immer sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln. Um Hintergründe des Konflikts besser zu verstehen, um Einschätzungen von kundiger Stelle zu erlangen und schließlich auch um eigene Befindlichkeiten, Sorgen und Ängste zum Ausdruck zu bringen, sind hierfür öffentliche Diskussionsveranstaltungen besonders wichtig. Die Mitglieder des Ortsvereins der SPD Mühlhausen-Rettigheim-Tairnbach freuten sich daher besonders, dass Prof. Gert Weisskirchen einer Einladung zum Vortrag und Aussprache in das Bürgerhaus der Gemeinde Mühlhausen gerne nach kam. Der Ortsvereinsvorsitzenden der SPD Holger Schröder sprach Weisskirchen hierfür seinen besonderen Dank aus, ist er doch gegenwärtig als ausgewiesener Experte im Themenbereich Ostpolitik ein besonders gefragter Gesprächspartner.

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Prof. Gert Weisskirchen war in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter (1976-2009) in zahlreichen Gremien und Organisationen mit dem Themenbereich Ostpolitik betraut und pflegt weiterhin zahlreiche Kontakte u.a. in die baltischen Staaten und zur Deutsch-Ukrainischen Vereinigung. Er war u.a. Sprecher der Fraktionsarbeitsgruppe Vereinte Nationen, 10 Jahre lang Sprecher der Fraktionsarbeitsgruppe Außenpolitik und gehörte von 1994 bis 2009 der Parlamentarischen Versammlung der OSZE an, wo er von 1997 bis 2002 Vorsitzender des Ausschusses für Humanitäre Angelegenheiten und Menschenrechte war.

Holger Schröder wies eingangs auf die hohe Beteiligung der Bevölkerung anlässlich der Sammel- und Spendenaktion für die Ukraine hin – in der Gemeinderundschau und der RNZ wurde darüber berichtet. Es zeige sich eine ausgeprägte Solidarität und ein tiefes Mitgefühl mit dem Kriegselend der Bevölkerung. Er berichtete von den ersten Gruppen ukrainischer Kriegsflüchtlinge, die die Gemeinde Mühlhausen und die Umgebung erreichten. Holger Schröder verwies auch auf die prekäre Situation, in der sich die Bundesregierung befinde, da sie nun mit anderen autoritären Staaten die Energieversorgung – vorrübergehend – sicherstellen müsse. Die entstandene Tragik dieser Situation war für Prof. Weisskirchen zugleich der Übergang zu seinem Vortrag, dessen Fakten, analytisch-gehaltvolle Einschätzung und daraus gezogene Schlüsse nachfolgend nur kursorisch genannt werden können.

Die von Putin für den Einmarsch in die Ukraine bemühte historisch-kulturelle Erklärung sei absurd und sollte nicht Gegenstand einer ernsthaften Auseinandersetzung sein. Putin argumentiert mit der Existenz einer gemeinsamen kulturellen Wurzel und bezweifelt die Existenz der Ukraine als eigene Nation. Russen und Ukrainer seien mit den Belarussen ein Volk und gehörten zur historischen „russischen Nation“, deren Ursprung in der Kiewer Rus, einem ersten Staatengebilde im 10. Jahrhundert, läge. Nach ihm ist die gegenwärtige Regierung des Landes das Resultat von westlichen Verschwörungen und daher unrechtmäßig. Diese historisch-kulturelle Erklärung wird auch von der russisch-orthodoxen Kirche, namentlich vom Patriarchen Kyrill I., geteilt. Das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung, das zu einem früheren Zeitpunkt auch von der russischen Regierung vertraglich anerkannt wurde, wird mit dieser Geschichtsdeutung verleugnet.

Einen weiteren wesentlichen Themenbereich im Vortrag von Prof. Weisskirchen nahm die deutsche Entspannungspolitik ein, mit der die Regierung Brandt/Scheel in den 1970er Jahren ein neues Kapitel in der Nachkriegsgeschichte aufschlug. Sie sei seinerzeit die richtige Antwort gewesen, um die Grundlage einer friedlichen Zusammenarbeit zwischen Ost-und West zu stiften. Als umfassende Kooperationspolitik war sie stets weit mehr als eine Handelspolitik zugunsten billiger Rohstoffe, so Weisskirchen. Die Bedingungen dieser Beziehungen haben sich jedoch nunmehr grundlegend geändert. Das Regime der damaligen UdSSR in den 1970er Jahren war autoritär und diktatorisch, jedoch vertragstreu. Vereinbarungen wurden eingehalten, ein Wandel der Verhältnisse durch eine Annäherung daher sinnvoll. Das Regime Putin hingegen vollzog mit der Invasion in der Ukraine einen zivilisatorischen Bruch, d.h. eine Verletzung bislang geltender Absprachen, Regeln und Verträge.

Bereits im Zuge der Annexion der Krim 2014 setzte dieser zivilisatorische Bruch ein, da völkerrechtlicher Verträge (u.a. Budapester Memorandum von 1994 über die Achtung der bestehenden Grenzen der Ukraine, Grundsätze der KSZE-Schlussakte von 1975, der Charta von Paris 1990, NATO-Russland-Grundakte 1997 durch Russland) von der russischen Regierung einseitig gebrochen wurden. Lügen, Geschichtsrevisionismus und militärische Gewalt waren daher bereits seit langer Zeit Merkmale der russischen Regierung, die jedoch von der breiten Öffentlichkeit nicht hinlänglich wahrgenommen und von der Politik nicht angemessen bewertet wurden. Zumindest wurde weiterhin aufgrund geringer Rohstoffpreise die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der russischen Regierung ausgeweitet, was sich nunmehr als eine fatale Fehlentwicklung der Politik herausstellt. Ein Ergebnis aus dieser Entwicklung seien nunmehr insgesamt spürbar höhere Rohstoff- und Energiepreise, die insbesondere geringverdienende Bevölkerungsgruppen zu tragen haben, mit zukünftig insgesamt weiter steigender Tendenz.

Als dritten und letzten Themenbereich ist aus dem Vortrag von Prof. Weisskirchen die Gefahr eines Rückfalls in bereits überwundene Aufasrüstungspolitik zu nennen. So dringend nötig eine funktionsfähige Bundeswehr sei, so sehr muss darauf geachtet werden, dass Rüstungspolitik immer in ein konsistentes Konzept einer Außen- und Sicherheitspolitik eingebettet wird und keine Eigendynamik erfahren darf. Bloße militärische Aufrüstung kann daher keine Lösung darstellen.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden die Themen vertieft und nicht zuletzt kam die Sorge um gravierende Veränderungen der Lebenspraxis zum Ausdruck. Von einer unmittelbaren Kriegsgefahr mit atomaren Waffen über einen dauerhaften militärischen Auseinandersetzung, bis zu Preiserhöhungen von Gütern des alltäglichen Bedarfs, in deren Folge sich soziale Spannungen ergeben. Man war sich sicher, dass die Debatte um die genannten Themen zukünftig fortgeführt und politisches Handeln insgesamt vorausschauender werden müsse.

Abschließend hatten die anwesenden Parteimitglieder noch die Möglichkeit, den freien Raum unter der Überschrift „Raum für Sondermarken“ in ihren Parteibüchern zu füllen. Hier möchte auch der SPD-Ortsverein die alte Tradition der „Sondermarken“ wieder beleben. Eine Sondermarke wurde immer dann ausgegeben, wenn zu einem bestimmten Anlass spenden gesucht wurden. Es liegt auf der Hand, dass diesmal die Menschen in der Ukraine unterstütz werden sollen. Obwohl die Marke selbst nur für einen recht geringen Betrag zu erwerben ist, gaben viele Mitglieder doch weitaus mehr. Hierdurch kam ein beachtlicher Betrag zusammen, der an die Arbeiterwohlfahrt (AWO) International gespendet wurde. In der Nothilfe arbeitet AWO International immer mit erfahrenen Partner*innen vor Ort zusammen, die gut vernetzt und mit der Situation vor Ort vertraut sind und die Landessprache sprechen. Die AWO ist ebenfalls Teil des Zusammenschlusses „Aktion Deutschland hilft – Bündnis deutscher Hilfsorganisationen“, auf welches in der Gemeinderundschau bereits mehrfach verwiesen wurde. Es sind noch einige wenige Sondermarken verfügbar. Diese können über den Vorsitzenden Holger Schröder bezogen werden.

https://www.awo.org/ukraine-helfen

 

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