Von Bürgerkriegsmilizen erwartet man in der Regel, dass sie mit russischen AK-47-Gewehren ausgerüstet sind. Doch auch das deutsche Gewehr 3, besser bekannt als G3, ist eines der am weitest verbreiteten Sturmgewehre der Welt und taucht daher auffallend oft auf Pressefotos aus Bürgerkriegsländern auf. „Kleinwaffen sind Massenvernichtungswaffen in Zeitlupe,“ zitierte Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan.
Anlass war ein Vortrag zum Thema „Skandal Rüstungsexporte“ der Mühlhausener SPD und des Willy-Brandt-Freundeskreises. Der Vortrag mit anschließender Debatte fand im Bürgerhaus in Rettigheim statt und wurde von Prof. Gert Weisskirchen, ehemaliger außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, moderiert. Viele Stühle blieben aber leer.
Schade angesichts eines sehr interessanten Vortrags aus der „ersten Etage der Bundespolitik“.
2011 exportierte Deutschland laut Arnold Waffen und Rüstungsgüter im Wert von insgesamt fast elf Milliarden Euro. Der Großteil dieser Exporte ging in Länder wie die Niederlande oder die USA. Nach diesen beiden Spitzenreitern folgen eine Reihe Länder, die ebenfalls der NATO angehören, EU-Mitglieder sind oder die als der NATO gleichgestellte Länder gelten. In diesen Bereich fallen fast 60 Prozent der Exporte, die man, das stellte der SPD-Sprecher klar, als unbedenklich einstufen könne. Doch unter den restlichen 40 Prozent finden sich teilweise Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Indonesien und viele weitere, die aufgrund der Menschenrechtslage oder einer eher autokratischen oder diktatorischen Regierungsform als kritisch gelten können. Länder, in denen durchaus die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass Waffen und Rüstungsgüter bei Aufständen auch gegen die eigene Bevölkerung gerichtet würden, wie es beispielsweise 2011 in Bahrain geschah, wo auch saudische Truppen intervenierten. Bundeskanzlerin Angela Merkel rechtfertige die Exporte nach Saudi-Arabien aber mit „einem besonderen strategischen Interesse“, kritisierte Arnold.
Die SPD fordert daher mehr Transparenz beim Thema Rüstungsexporte, damit Parlamentarier frühzeitig ihre Bedenken anmelden können. Denn bisher entscheidet ausschließlich der geheim tagende Bundessicherheitsrat über die Exportgenehmigungen, der als Regierungsgremium nicht unter parlamentarischer Kontrolle steht. Erst spät, im jährlichen Rüstungsexportbericht, gelangen so die Details an die Öffentlichkeit und an das Parlament. Nach dem Willen der SPD sollen die Ergebnisse jeder Sitzung zukünftig direkt veröffentlicht werden.
Sie fordert zudem die gesetzliche Verankerung strenger ethischer Exportrichtlinien. Damit sollen künftig auch moralische Dilemmata wie im Fall Saudi-Arabien verhindert werden, wo strategische Interessen mit der Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten kollidierten. Die schwarz-gelbe Koalition habe dagegen in ihrem Koalitionsvertrag lediglich einen „verantwortlichen Umgang“ mit den Rüstungsexporten vereinbart. Zudem sollen auch die eingangs erwähnten Kleinwaffen durch modernste digitale Kennzeichnung und verbindliche Verträge bei ihrer Ausbreitung wesentlich strenger kontrolliert werden.
Eine Debatte mit Argumenten wie „wenn wir nicht die Waffen liefern, tun es andere“, wolle die SPD auf keinen Fall führen. Jedoch lehnt sie auch eine pazifistische Kehrtwende ab, wie sie etwa Vertreter der evangelischen Kirche bei der Debatte nach diesem Vortrag in den Raum stellten. Wenn Deutschland nicht abhängig von der Rüstungsindustrie beispielsweise der USA werden wolle, dann müssten die Fähigkeiten der heimischen Rüstungswirtschaft erhalten werden, machte Rainer Arnold klar. Dabei verwies er jedoch auch darauf, dass strengere Richtlinien keine deutschen Arbeitsplätze gefährdeten. Mehr Transparenz gebe zudem es auch im Ausland, wie beispielsweise in Großbritannien oder in den USA.
„Es gibt bereits Konsens darüber, die Geltungsfähigkeit des Parlaments zu erhöhen“, so Gert Weisskirchen. „Und mit mehr Transparenz könnten beispielsweise auch die Kirchen früher Einfluss nehmen auf die politische Debatte.“ Man erhoffe sich dadurch auch eine Signalwirkung, gerade dann, wenn man innerhalb Europas an der Seite Frankreichs voranschreiten würde.
Ein abschließender Blick in die Zukunft machte dann auch deutlich, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Waffen und Rüstungsgütern durchaus angebracht ist. „Es wird mehr Chaos geben und eine neue Ordnung. Die Amerikaner sprechen in diesem Zusammenhang vom ,New Normal', von der neuen Normalität“, erklärte Gert Weisskirchen. Und Peter Wirkner vom SPD-Ortsverein Mühlhausen brachte das durchaus nachdenklich stimmende Zitat „Den Traum vom ewigen Frieden muss man mit offenen Augen träumen.“
entnommen RNZ (fab)